Bodenreform


In dem Aufsatz vertrat ich in Erwiderung auf eine Veröffentlichung von Krüger in DtZ 1991, 385 bereits frühzeitig die Position, dass die Neubauern und ihre Erben die Eigentümer ihrer Grundstücke wurden.

Der Aufsatz wurde von anderen Autoren und Gerichten oft zitiert, u.a. von:

- Rechtsanwalt und Notar Martin Gollasch und Rechtsanwalt Christian Kroeger: Abwicklung der Bodenreform nach dem 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz (VIZ 1992, 421)
- BezG Neubrandenburg im Beschluss vom 10.04.1992 zum Az. 3 T 21/91 (DtZ 1992, 217)
- BezG Dresden im Beschluss vom 06.05.1992 zum Az. BSZ W 2/92 (VIZ 1992, 278)
- Prof. Dr. Rolf Steiding in seiner Anmerkung zum Beschluss des BezG Dresden vom 06.05.1992 in WiR 7/1992 Dokumentaion S. XI
- Prof. Dr. Reiner Arlt: Entschädigungsansprüche für den Entzug von Neubauernwirtschaften (NJ 1992, 301)
- Schmidt-Räntsch: Die Novelle zum Vermögensrecht (NJ 1992, 447)
- Rechtsanwalt Dr. Gerhard Kahlke: Abwicklung der Bodenreform (NJ 1992, 481)
- Mathias Cremer in seinem Buch: Immobiliengeschäfte in den fünf neuen Bundesländern (Seite 20)
- Reg.-R. Dr. jur. Hermann-Josef Rodenbach: Aktuelle Entwicklung der Restitution von Bodenreformgrundstücken (ZOV 1996, 82)
- Rechtsanwältin und Privatdozentin Dr. jur. Beate Grün: Die Sozialisierung des vererbbaren Neubauerneigentums durch den BGH (VIZ 1999, 313)

Zum Eigentum an den Bodenreform-Grundstücken

Veröffentlicht in NEUE JUSTIZ 4/1992, S. 155

Steffen Siewert, Berlin

Der Aufsatz von H. Krüger, "Die Rechtsnatur des sogenannten Sied­lungseigentums der Neubauern der kommunistischen Bodenreform in der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone/DDR" in DtZ 1991, S. 385 ff., beinhaltet in wesentlichen Teilen widersprüchliche Aussagen, die einer umfassenden Bewertung des Eigentumsproblems im Zuge der Bodenreform nicht gerecht werden und deshalb einer Gegenbetrachtung bedürfen. Zudem ist das "Ergebnis", daß die Neubauern niemals Eigen­tum im Sinne der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland an ihrem Bodenreformland erlangt haben, m.E. nicht haltbar. Es soll wohl offensichtlich darauf hinauslaufen, hier die Bundesrepublik Deutsch­land zum Eigentümer und damit die Treuhand als Verwalter bzw. Ver­fügungsberechtigten von Grundstücken zu erklären, die einen wesentli­chen Teil der Fläche der ehem. DDR ausmachen.

Begriffsbestimmungen und historische Ausgangssituation

Daß die Neubauern Eigentum im Sinne der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland an ihrem Bodenreformland hätten erwerben können, war bis zum 3.10.1990 auch gar nicht möglich, da bekanntlich in der DDR ein anderes Rechtssystem herrschte. In den Jahren 1945/46, zur Zeit der Bodenreform, existierte die Bundesrepublik Deutschland noch nicht, so daß es unzulässig wäre, die Rechtsordnung der Bundesrepublik rückwirkend als Maßstab anzulegen. Es bleibt festzustellen, daß die Neubauern Eigentum im Sinne der damaligen besatzungsrechtlichen Verhältnisse erwarben und dieses Eigentum auch in den Jahren nach 1949 in der Rechtsordnung der DDR anerkannt blieb. Eine andere Frage ist, daß in den fünfziger Jahren die Bodenreform teilweise rechtlich uminterpretiert wurde; alle Verordnungen, die in die Rechte der Eigentümer der Bodenreformgrundstücke verstärkt eingriffen, wurden erst nach 1950 erlassen. Durch die erst nach der Bodenreform erlassenen Verordnungen sollten die Neubauern, die wirksam Eigentümer ihrer Flächen geworden waren, auf die von der Sowjetunion geforderte Kollektivierung vorbereitet werden. Krüger führt dazu mehrmals die Verordnung vom 21.6.1951 über die Auseinandersetzung bei Besitzwechsel von Bauernwirtschaften aus der Bodenreform an, allerdings nicht ein einziges Mal die Verordnungen über die Durchführung des Besitzwechsels bei Bodenreformgrundstücken vom 7.8.1975 und 7.1.1988.

Die Begriffe "Arbeitseigentum" und "Bodenreformanerkennungsgebühren" sind typischer Ausfluß eines DDR-eigenen Sprachgebrauchs, der aus ideologischen Gründen von dem der westlichen "Gegner" abgegrenzt wurde. Das führt aber nicht dazu, daß die Bauern durch dieses "DDR-Deutsch" ihre Grundstücke nicht wirksam als Eigentum erhielten und behielten. Aus Art. VI der Gesetze bzw. Verordnungen über die Durchführung der Bodenreform (im folgenden BRVO) ergibt sich, daß das Neubauerneigentum besonderes Privateigentum darstellte, das als "Arbeitseigentum" charakterisiert wurde. Diese Bezeichnung war lediglich dafür gedacht, dem Boden den "Warencharakter" zu entziehen und den Schwerpunkt auf die ökonomische Nutzung des Bodens zu lenken. Dieses Eigentum war unveräußerlich, aber (unter bestimmten Voraussetzungen) vererbbar.

Jeder Neubauer erhielt bei der Übergabe seiner Bodenflächen, die "Privateigentum ihres Besitzers" (Art. I BRVO) wurden, eine Urkunde über die als Eigentum zugewiesenen Bodenreformgrundstücke. Im Grundbuch wurden­ entsprechende Eintragungen vorgenommen, die den Neubauern als Eigentümer auswiesen. Daß die Bodenflächen weder geteilt, verkauft, verpachtet oder verpfändet werden durften, beseitigt nicht ihren Charakter als Eigentum der Neubauern, sondern stellt lediglich eine Einschränkung ihrer Verfügungsmöglichkeiten im übergeordneten gesellschaftlichen (bzw. staatlichen) Interesse dar. "Die den Bauern zu privatem Eigentum übertragenen Bodenreformländereien waren damit dem Zivilrechtsverkehr grundsätzlich entzogen. Somit war die persönliche Nutzung durch den Neubauern garantiert; Spekulation mit dem erhaltenen Land sollte ausgeschlossen werden. Dies muß man vor allem beachten, wenn man die instabile Nachkriegssituation und den Kalten Krieg berücksichtigt, der im geteilten Deutschland besonders scharfen Ausdruck fand. Bei Hauk heißt es dazu: „Die Neubauern verfügen als Produzenten genauso über ihren Boden wie die Altbauern, aber die Spekulation mit diesem Boden ist ausgeschlossen."

Im Gegensatz zu den Bauern in der Bundesrepublik Deutschland erhielten die Umsiedler und Vertriebenen in der DDR keinen Lastenausgleich, mit dem sie den Kauf ihrer Grundstücke finanzieren konnten. Daher hatten sie nur eingeschränkte Möglichkeiten, ihre Grundstücke zu bezahlen. Dies wurde durch die niedrige Festsetzung der abzuführenden Beträge berücksichtigt. Die "Bodenreformgebühren" können darum nur als Kaufpreissurrogat gekennzeichnet werden. In Art. V der VO über die Bodenreform in der Provinz Mark Brandenburg vom 6.9. l945 heißt es: "Wirtschaften, die durch die Bodenreform Land zugeteilt erhielten, haben für den Boden eine Summe zu entrichten, die dem Wert einer Jahresernte entspricht." Hier ist keine Rede von "Bodenreformanerkennungsgebühren" oder ähnlichen Worthülsen. In dieser Bestimmung kommt zum Ausdruck, daß die Bauern für ihren Boden einen Gegenwert zu entrichten hatten. Die Bodenpreise für Altbauernland unterschieden sich 1955/56 kaum mehr von den "Bodenreformanerkennungsgebühren", das beweist u.a., daß es sich nicht nur um "Gebühren" für die Vornahme eines staatlichen Aktes handelte.

Zur Frage des Erwerbs stellte eine Studie des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen 1958 fest, daß die Neubauern das ihnen zugeteilte Land käuflich erwarben und einen "Kaufpreis je Hektar" zahlen mußten. Dieser "betrug etwa 1000 bis 1500 kg Roggen, konnte aber auch in Geld und in Raten bis zu 20 Jahren getilgt werden". Die Zahlung eines Kaufpreises deutet jedenfalls bekräftigend auf einen Eigentumserwerb und nicht auf ein ledigliches Besitz- oder Nutzungsrecht hin, denn dann hätte von einem Nutzungsentgelt o.ä. die Rede sein müssen.

Krüger will einerseits den Begriff des Eigentums für das Bodenreform-Land als "kommunistische Propaganda" abtun, andererseits aber spätere gegenläufige und einschränkende Umdeutungen derselben "Propagandisten" als wahrheitsgemäß hinstellen. Die rechtliche Ausgestaltung des Bodenreform-Eigentums als "Arbeitseigentum" sollte aber lediglich verhindern, daß eine Verwandlung in "kapitalistisches" Eigentum erfolgt.

Die Begriffe "Bodenfonds" und "Neubauernland" vermischt Krüger z.T. unzutreffend. Tatsächlich kamen mit der Bodenreform 1945/1946 nur 35% des enteigneten Landes aus dem Bodenfonds in staatliche Verwaltung, während der überwiegende Teil (65 %) den Neubauern als "privates, bäuerliches Arbeitseigentum" übertragen wurde. Allerdings konnten später die Grundstücke der Neubauern, die ihr Eigentum verloren, an den Bodenfonds fallen; 1990 waren nur noch ca. 25% des Bodenreformlandes Eigentum der Neubauern und 75% im staatlichen Bodenfonds.`

Im Gegensatz zur Sowjetunion 1917 gab es in der SBZ 1945/46 keine Nationalisierung des Bodens, da in Deutschland nach der Niederlage des Faschismus andere Bedingungen bestanden. Die deutschen Bauern forderten entsprechend der historischen Entwicklung Land mit Eigentumsrecht. Die Bodenreform war daher nicht mit der Nationalisierung (Übernahme in Staatseigentum) des gesamten Grund und Bodens verbunden. Es kam zwar zu einer teilweisen Nationalisierung (sog. volkseigene Güter), aber die Masse des enteigneten Grundbesitzes wurde an Neubauern zu Eigentum übergeben. Insgesamt wurden 2,1 Mio ha Land an die Bauein verteilt. Die volkseigenen Güter wurden aus 4% der landwirtschaftlichen Nutzfläche gebildet. Somit wurde das bäuerliche Privateigentum an Grund und Boden die überwiegende Eigentumsform der DDR.

Der für die Vergabe der Bodenreformgrundstücke gebildete Bodenfonds stellte zwar staatliches bzw. Volkseigentum dar, aber nur solange, wie die Grundstücke noch nicht aus dem Fonds an die Neubauern verteilt waren. In den Bodenfonds fielen alle Ländereien, die ihrer Bestimmung gemäß in Privateigentum überführt werden mußten. Der staatliche Bodenfonds war also nur dazu da, um aus ihm den Bauern das Land zu privatem Eigentum zu geben. Sofern die Grundstücke vergeben wurden, verwandelte sich das staatliche Eigentum in privates Eigentum. Es blieb auch solange privates Eigentum, bis es aus verschiedenen Gründen an den Bodenfonds zurückfiel. Durch die Neuvergabe an einen anderen Bauern entstand wiederum Privateigentum. Dies widerlegt die Behauptung von Krüger, daß der staatliche Bodenfonds der "Eigentümer" des gesamten Bodenreformlandes war."

Parallelen zur bundesdeutschen Rechtsordnung

Die rechtliche Einordnung der Bodenreformgrundstücke in die Eigentumsbegriffe der Bundesrepublik - so man sie versuchen will - ist zweifelsohne schwierig. Für den Erwerb und Verlust des Eigentums waren die Normen des BGB nicht verbindlich. Das Eigentum an den Bodenreformflächen stellt eine SBZ/DDR-spezifische Eigentumsform dar. Mit dem Gesetz über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform vom 6.3.1990 wurde diese Eigentumsform den privatrechtlichen Regelungen des ZGB angepaßt und damit in die Rechtsordnung der DDR modifiziert eingeordnet. Der Einigungsvertrag, speziell Art. 233 § 2 1 EGBGB, enthält keine gegenteiligen Regelungen, so daß das privatrechtliche Eigentum an den Bodenreformgrundstücken heute nach den Normen des BGB veräußert werden kann, während sein Erwerb den Anforderungen der Rechtsordnung der ehem. SBZ bzw. DDR genügen mußte.

Sofern Krüger verneint, daß die Neubauern Eigentum im Sinne der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland an ihren Bodenreformgrundstücken erlangt haben, fehlen in seinem Aufsatz über ideologische Angriffe hinaus die bürgerlich-rechtlichen Normen, die bei dieser Frage, ob Eigentum vorliegt oder nicht, untersucht werden müßten. Nicht nur in der SBZ/DDR unterlag das Eigentum bestimmten Schranken. Eine gewisse Vergleichbarkeit ist möglich, da das BGB in der DDR bis 1975 galt.

Gemäß § 903 BGB kann der Eigentümer mit seinem Eigentum nach Belieben umgehen, soweit nicht Gesetze oder Rechte Dritter entgegenstehen. Das heißt nichts anderes, als daß der Inhalt des Eigentums und seine Schranken nicht nur durch das BGB, sondern auch durch andere Gesetze bestimmt werden. Eine ähnliche Formulierung enthält Art. 14 1 Satz 2 GG. Im Sinne auch dieser Bestimmungen waren die Eigentümer-Rechte der Neubauern beschränkt. In Thüringen gab es 1945 beispielsweise ein Bodenreform-Gesetz (also nicht nur Verordnungen), das die Voraussetzungen für § 903 BGB erfüllt; in Art. 57 der Thüringer Landesverfassung erfolgte die Anerkennung des Neubauern-Eigentums an den Bodenreformflächen, so daß Privateigentum im Sinne der damaligen Verfassung entstand.

Diese Form von Privateigentum wurde auch durch Art. 24 Abs. VI der DDR-Verfassung von 1949 anerkannt. Das Oberste Gericht der DDR stellte dazu fest, daß sich Inhalt und Schranken des Neubauern-Eigentums aus den Gesetzen und den sozialen Pflichten der Gemeinschaft gegenüber ergaben (vgl. Art. 22 DDR-Verf. von 1949). Bei den genannten gesetzlichen Bestimmungen handelte es sich um die Bodenreform-Verordnungen und -Gesetze, die den Inhalt und die Schranken des Neubauerneigentums konkretisierten.

Die Beschränkung der Eigentümer-Rechte der Neubauern hatte 1945/1946 vor allem eine Schutzfunktion. Vorrangige Ziele waren die Lösung des Vertriebenenproblems (auf dem Gebiet der ehem. SBZ wurden pro Kopf der Bevölkerung mehr Vertriebene aufgenommen als in den drei anderen Besatzungszonen zusammen) und vor allem die zügige Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse zur Versorgung der Bevölkerung durch die Neubauern auf ihren Grundstücken. Deshalb spezifizierte die Bodenreformgesetzgebung das Neubauerneigentum durch die o.g. Einschränkungen der Eigentümerrechte. Aus diesen Beschränkungen zu schließen, daß nur ein Nutzungsrecht vorliegt, negiert die Bedeutung der §§ 873, 903 BGB und des Art. 14 1 Satz 2 GG. Denn das Eigentum als umfassendes Herrschaftsrecht an einer Sache ist zugleich mit dem Vorbehalt versehen, daß nicht Gesetze oder Rechte Dritter entgegenstehen.

Auch in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland gibt es viele Beispiele, die das Eigentumsrecht an einem Grundstück einengen. So bedarf die Veräußerung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken der behördlichen Genehmigung nach § 2 GrdstVG; sie kann versagt werden, wenn die "Veräußerung eine ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeutet" (§ 9 1 Nr. 1 GrdstVG). Sogar die Teilung eines Grundstücks setzt oft eine staatliche Genehmigung voraus. Der Zweck solcher Genehmigungen liegt in der Land- und Forstwirtschaft vor allem in der "Verhinderung von ungesunden Agrarstrukturen und unwirtschaftlichen Grundstücken und Betriebszersplitterungen"."

Der Bodenreformgesetzgebung ähnliche Einschränkungen der Eigentumsrechte legen auch die §§ 13, 17 GrdstVG fest, wonach ein landwirtschaftlicher Betrieb bei Anfall an eine Miterbengemeinschaft kraft gesetzlicher Erbfolge auf Antrag einem Miterben als Alleineigentum zugewiesen werden kann; die übrigen Miterben werden abgefunden. Der Zweck ist der gleiche wie bei der Genehmigungspflicht für die Veräußerung eines solchen Grundstücks.

Der § 873 1 BGB schreibt die Voraussetzungen für den Eigentumsübergang eines Grundstücks vor und endet mit der Formulierung "soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt". Im Falle der Bodenreform hat das Gesetz andere Bedingungen für den Eigentumsübergang an den zuvor enteigneten Grundstücken in das Eigentum der Neubauern festgelegt. So konnte die Einigung zwischen den "Alteigentümern" und den Neubauern entfallen, und trotzdem fand eine wirksame Übertragung der Grundstücke in das Privateigentum der Neubauern statt. Es handelte sich um einen originären Rechtserwerb, die Rechte der neuen Eigentümer (Neubauern) leiteten sich nicht von den Rechten der früheren Eigentümer (enteignete Großgrundbesitzer u.ä. Personen) her.

Die Übertragung der Bodenreformgrundstücke der Neubauern erfolgte nicht durch ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, sondern durch einen Hoheitsakt des Staates, durch den Beschluß der Bodenreformkommissionen. Die Eintragung des neuen Eigentümers in das Grundbuch war zwar vorgeschrieben, aber sie ist keine rechtsbegründende Voraussetzung für den Eigentumsübergang, sondern stellt eine Grundbuchberichtigung aufgrund der bereits durch staatlichen Hoheitsakt herbeigeführten Eigentumsübertragung dar.

Daß eine Einigung über den wirksamen Eigentumsübergang entbehrlich sein kann, ist auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur der Bundesrepublik Deutschland anerkannt. Bei einer Rechtsänderung durch einen staatlichen Hoheitsakt erfolgt die Übertragung des Eigentums durch oder aufgrund eines Gesetzes. Der Eigentumserwerb ist auch im Gefolge einer Enteignung der vormaligen Eigentümer wirksam. Zur Herstellung dieser neuen Eigentumsverhältnisse ist eine Bodenreform daher völlig geeignet. Bei Soergel findet sich folgende zutreffende Definition: Bodenreform ist "die im Wege der Siedlung herbeizuführende gleichmäßige Verteilung des landwirtschaftlich genutzten Grundeigentums, insbesondere die Aufteilung und Verminderung des Großgrundbesitzes mit dem Ziel der Bereitstellung von Siedlungsland". Auch die Bodenreform in der ehem. SBZ ist als eine "Rechtsform der Landbeschaffung" mit gleichmäßiger Verteilung des Großgrundbesitzes an neue Eigentümer (Neubauern) anzusehen. In den westlichen Besatzungszonen scheiterte eine umfassende Bodenreform nach 1945 vor allem an den Entschädigungsleistungen für die ehem. Eigentümer, die der Staat nicht aufbringen konnte.

Es läßt sich also feststellen, daß die Bodenreformgesetzgebung der ehem. SBZ aus Sondervorschriften über den Inhalt des Eigentums der Neubauern und die Beschränkung der Verfügungsmacht der Eigentümer sowie über die Begründung, Übertragung und Beendigung des Eigentums der Neubauern bestand.

Die Bodenreformgesetzgebung führte zu einer Abänderung der materiellrechtlichen Grundlagen des deutschen Bodenrechts im BGB und der formell-rechtlichen Grundlagen der Grundbuchordnung. Bis auf diese gesetzlich festgelegten Abweichungen (die nach §§ 873, 903 BGB und § 13 1 GBO zulässig sind) blieben die bodenrechtlichen Grundlagen weiter maßgebend. Im Ergebnis dieser Betrachtungen kann man nur zu dem Schluß gelangen, daß die Neubauern wirksam auf der Grundlage des in der ehem. SBZ geltenden Rechts Eigentum an ihren Bodenreformflächen erlangt haben.

Auch in der neueren Literatur wird das (wenn auch beschränkte) Eigentum der Neubauern überwiegend anerkannt. So schreibt z.B. Horn, daß aus dem Bodenfonds landlose oder landarme Bauern, Landarbeiter und Vertriebene Land zu Eigentum erhielten". Die ganze Problematik ist nur richtig einzuordnen, wenn man das Bodenreformeigentum als Grundstückseigentum versteht, das durch die in den Bodenreform-Verordnungen und -Gesetzen geregelten Verfügungs- und Vererbungsbeschränkungen eingeschränkt wurde. Diese Auffassung vertritt auch Barkam.

Einschlägige gerichtliche Entscheidungen

Krüger schreibt in seinem Aufsatz: "Wenn diese Auffassung zuträfe, (daß die Neubauern die Eigentümer sind - d. Verf.) würden die durch die Bodenreform betroffenen Familien überwiegend nur noch Entschädigungsansprüche in Geld haben, eine Rückgabe von Grund und Boden würde dagegen seltener in Betracht kommen, da der größte Teil des Bodenreformlandes dann in Eigentum der sog. Neubauern, deren Nachkommen und anderen Personen stände." Genau so ist es. Offensichtlich hat Krüger dabei völlig das Urteil des BVerfG vom 23.4.1991 negiert, in dem die Nichtrückgabe der enteigneten Flächen an ihre ehem. Eigentümer geregelt ist. Zieht man den Umkehrschluß aus diesem Urteil unter Berücksichtigung der oben zitierten Feststellung Krügers, so bleibt nur die Lösung, daß die Neubauern die tatsächlichen Eigentümer ihrer Grundstücke sind.

Das BVerfG hat mit o.g. Urteil die Eigentumsverhältnisse festgeschrieben, die sich in den 45 Jahren nach der Bodenreform in der DDR herausgebildet haben. Der Grund dafür ist, daß die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher Grundlage und damit die Bodenreform und ihre Rechtsfolgen nicht vom Grundgesetz erfaßt werden. Die ehem. Neubauern können nunmehr ihr Eigentum endgültig behalten.

Bereits unmittelbar nach der Bodenreform ergingen gerichtliche Urteile, die nicht nur von einem Nutzungsrecht, sondern von Eigentum ausgingen. So entschied der OGH am 31.3.1949, daß "die von einem deutschen Lande vorgenommene Enteignung und Verleihung zu neuem Eigentum" nur diejenigen Dinge erfaßt, "die sich in dem handelndem Lande befinden." Das AG Bischofswerda meinte in einem Urteil vom 15.3.1948: "Der Neubauer, dem das Gut zugeteilt wird, erlangt Eigentum auch an den Wirtschaftswagen." Dieses Urteil bezog sich zwar auf ein konkretes Wirtschaftsgut, darin kommt aber durch das Wörtchen "auch" zum Ausdruck, daß das zugeteilte Gut ebenfalls Eigentum des Neubauern geworden ist. Das Oberste Gericht der DDR griff in einer Entscheidung aus dem Jahre 1951 gleichfalls zur Formulierung "Eigentum des Neubauern". Das OLG Hamburg befaßte sich 1951 mit dieser Thematik und entschied: "Die Enteignungsmaßnahmen in der Ostzone (und implizit ihre Rechtsfolgen - d. Verf.) sind, auch wenn sie entschädigungslos erfolgt sind, anzuerkennen, soweit sie sich auf Ostzonenvermögen erstrecken.""

Die Möglichkeit des Eigentumerwerbs durch die Neubauern wird auch in einem Urteil des OLG Schleswig festgestellt. Darin heißt es: "Auf Grund der Mecklenburgischen Bodenreform-Verordnung vom 5.9.1945 (die anderen BRVO und das Thüringer Bodenreform-Gesetz waren im wesentlichen gleichen Inhalts - d. Verf.) kann rechtswirksam Eigentum erworben worden sein." Und: "Die Anwendung der VO vom 5.9.1945 im Einzelfall braucht dem ordre public der Bundesrepublik nicht zu widersprechen". Weiter wird ausgeführt: Es kann "Eigentum an Grundstücken außer durch Rechtsgeschäft auch kraft Gesetzes oder, soweit gesetzlich zulässig, durch Verwaltungsakt, außerhalb des Grundbuches erworben werden. Dann gelten die Formvorschriften des § 873 BGB nicht, die Eintragung im Grundbuch hat kein konstitutives Element des Eigentumerwerbs, sie hat nur deklaratorische Bedeutung."

Der BGH bestätigte dieses Urteil mit seiner Revisionsentscheidung vom 17.2.1960 hinsichtlich der eigentumsrechtlichen Fragen, so daß durch die Mecklenburgische Bodenreform-VO wirksam Eigentum erworben worden ist. Da die BRVO in den anderen Ländern im wesentlichen gleichen Inhalts waren, dürften sich die Urteile des OLG Schleswig und des BGH auch auf die übrigen Länder erstrecken, die Anwendung der BRVO im Einzelfall braucht daher nicht der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu widersprechen.

Insofern ist der Feststellung des BG Dresden nicht zu folgen, daß bis zum 15.3.1990 nur ein Besitz- und Nutzungsrecht bestand, zumal seinem Urteil nicht zu entnehmen ist, woraus das BG diese Schlußfolgerung herleitet, ihr widersprechen außerdem die im Urteil gebrauchten Begriffe wie "Bodenreformlandeigentümer" und "Volleigentum", das mit dem Gesetz vom 6.3.1990 aus dem bisherigen "Arbeitseigentum" bzw. "Siedlungseigentum" durch Aufhebung der Eigentümer-Beschränkungen als gleichberechtigte Eigentumsform im Sinne des ZGB der DDR entstand. Das Ziel dieses Gesetzes war, die Ergebnisse der Bodenreform und die Position der dadurch zu Eigentum gelangten ursprünglich landarmen oder landlosen ehem. Neubauern auch in einer überwiegend auf Privateigentum gestützten Rechts- und Wirtschaftsordnung zu sichern. Insofern wurden durch dieses Gesetz nicht Eigentumsrechte begründet, sondern von Einschränkungen befreit.

Zum Schluß seines Beitrages will Krüger zur Unterstützung seiner These das Gesetz über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform vom 6.3.1990 für nicht mit der DDR-Verfassung vereinbar erklären, da es dem Art. 10 der DDR-Verf. widerspreche.

Der für das Volkseigentum maßgebliche Art. 12 1 DDR-Verf. wurde am 12.1.19901 geändert und hatte am 6.3.1990 folgenden Wortlaut: "Die Bodenschätze, ..., die Naturreichtümer des Festlandsockels ... sind Volkseigentum. Abweichungen hiervon sind auf der Grundlage der Gesetze zulässig." In Art. 15 1 DDR-Verf. hießt es: „Der Boden der DDR gehört zu ihren kostbarsten Naturreichtümern." Da also Abweichungen vom Prinzip des Vorrangs des Volkseigentums zulässig waren, ist das Gesetz vom 6.3.1990 nicht verfassungswidrig. Diese Konstruktion ist allerdings gar nicht erforderlich, da ein großer Teil des Neubauern-Landes sowieso nicht in Volkseigentum (Bodenfonds) stand.

Die Neubauern hatten also ein Nutzungsrecht am Bodenreformland, aber sie waren und sind darüber hinaus die berechtigten Eigentümer ihrer Grundstücke.

Zur Anwendung des VermG

Sofern man zu dem Ergebnis gelangt, daß die Neubauern von Anfang an die Eigentümer der Bodenreformflächen wurden, stellt sich die Frage, ob in den Fällen, in denen sie das Eigentum entgegen den gesetzlichen Vorschriften (gemeint sind die BesitzwechseIV0) wieder verloren haben, Ansprüche nach dem VermG geltend gemacht werden können. In den Fällen des § 1 Abs. 1 a und b VermG bzw. § 1 Abs. 3 und 7 VermG sind solche Rückübertragungsansprüche denkbar, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Das heißt, bei entschädigungslosem Entzug der Bodenreformwirtschaft durch die "örtlichen Organe" muß im Einzelfall geprüft werden, ob dies in Übereinstimmung mit den damaligen gesetzlichen Vorschriften geschah oder ob es sich um Machtmißbrauch oder Verstöße gegen die Wertsteigerungsausgleichspflichten (quasi: Entschädigung) handelte. Die Entschädigungspflicht wurde durch Urteile des OG der DDR mehrmals bekräftigt. Sollten also derartige Verstöße vorliegen, so ergeben sich die Voraussetzungen für einen Rückübertragungsanspruch nach dem VermG. Bei der Durchsetzung dieser Ansprüche dürften allerdings vielfältige Probleme auftreten.

1. Der staatliche bzw. volkseigene Bodenfonds ist durch die staatliche Einigung in die Verfügungsgewalt der Treuhandanstalt übergegangen. Wie in allen anderen von vermögensrechtlichen Ansprüchen betroffenen Wirtschaftsbereichen ist auch beim ehem. Bodenreformland die Privatisierung erheblich erschwert. Wichtige Investitionen müssen evtl. ausbleiben, solange die Eigentumsverhältnisse noch nicht geklärt sind. In der Praxis behilft sich die Treuhand mit dem Abschluß befristeter Pachtverträge (meist für ein Jahr) mit den Rechtsnachfolgern der ehem. LPG, die auch bisher das Land nutzten. Hier ist dringend eine Entscheidung des Gesetzgebers oder der Rechtsprechung erforderlich, die die berechtigten Ansprüche ehem. Neubauern von den unberechtigten Ansprüchen trennt. Dadurch könnten auch Spekulationen mit Flächen aus der Bodenreform (insbesondere durch Abtretung von Rückübertragungsansprüchen an Dritte) eingeschränkt werden. Koerner schreibt dazu: "Der Flächenfonds aus der Bodenreform ist groß und für die wirtschaftliche, Entwicklung in den neuen Bundesländern entscheidend. Wenn dieses Problem nicht schnell überwunden ... wird, kommen die Kommunen aus der Stagnation bei der Bereitstellung von Grundstücken für Investoren nur schwer heraus.

2. Auch aus grundbuchrechtlicher Sicht ergeben sich einige Probleme. Zumeist wurden bei Flächen aus der Bodenreform, die nicht mehr im Eigentum der Neubauern standen, die LPG als Rechtsträger und ergänzend die Formulierung "im Eigentum des Volkes" im Grundbuch eingetragen. Oftmals wurde der Eigentümerwechsel aber auch gar nicht im Grundbuch eingetragen. Die Folge ist, daß mehrere angebliche Eigentümer ihre Ansprüche auf dasselbe Grundstück anmelden.

3. Die Rückübertragung der Bodenreformgrundstücke kann unter den im VermG genannten Gründen auch ausgeschlossen sein. Insbesondere dürften hierbei die Bestimmungen des § 5 1 VermG eine Rückübertragung ausschließen. Fraglich ist aber auch hierbei, wie die ehem. Eigentümer, die berechtigte Rückübertragungsansprüche haben, entschädigt werden sollen. Es bedarf also zur Klärung all dieser Fragen baldigst der Verabschiedung eines Entschädigungsgesetzes.

4. Noch verwickelter wird die Situation, wenn sich die Auffassung des Kieler Völkerrechtlers W. Seiffert durchsetzt, daß nach dem Zerfall der Sowjetunion das BVerfG nicht mehr an sein Urteil vom 23.4.1991 gebunden sei. Dann ist zu erwarten, daß die damals durch die Bodenreform Enteigneten ihre Rückübertragungsansprüche nochmals geltend machen werden.
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Anmerkung: Diesem Text fehlen aus Platzgründen die Zitatshinweise, diese bitte in der Neuen Justiz nachlesen, falls Interesse besteht